Vater Unser von Jilliane Hoffman
Inhalt
Julia Valenciano ist B-Staatsanwältin in Miami, B steht dabei für die zweite Garde. Sie ist fleißig – und hat ein Verhältnis mit einem der Kollegen aus der Star-Abteilung Major Crimes. Dadurch wird sie von Rick Bellido, dem stellvertretenden Leiter von Major Crimes, als zweite Vertreterin der Anklage in einem spektakulären Mordprozess vorgeschlagen.
Der angesehene Chirurg Dr. David Marquette soll seine Frau und seine drei kleinen Kinder brutal getötet haben. Die Anklageerhebung gegen Marquette ruft von Beginn an ein riesiges Medieninteresse hervor. Sein Verteidiger spielt seine Karten gezielt aus, indem er erklärt, sein Mandant sei zum Zeitpunkt der Tat nicht zurechnungsfähig gewesen, da er an Schizophrenie leide. In diesem Falle könnte, selbst wenn er tatsächlich der Täter wäre, Dr. David Marquette nicht zur Rechenschaft gezogen werden.
Julia arbeitet sich in den überaus schwierigen Fall ein und muss dabei etliche Hürden überwinden – die nicht nur beruflicher Natur sind. Und vor allem wird sie mit ihrer überaus schmerzhaften Vergangenheit konfrontiert, denn ihr Bruder leidet tatsächlich an Schizophrenie und hat ihrer Eltern getötet. Die junge Staatsanwältin droht an der Belastung zu zerbrechen.
Jilliane Hoffman verknüpft das Schicksal ihrer Protagonistin eng mit dem Prozess und bindet den Leser vor allem eng in die Gedankengänge von Julia Valenciano ein. Die Autorin weckt Verständnis für deren Situation, und zeigt nicht nur am Beispiel der Staatsanwältin, wie persönliche Erfahrungen und eigene Ziele das Handeln beeinflussen. Sie vermittelt dem Leser viele Fakten zum Thema Schizophrenie und stößt damit die Diskussion an, wie derartige Verteidigungsstrategien moralisch zu bewerten sind. Die Frage, ob ein Täter mit dieser Begründung straffrei ausgehen kann und darf, spielt eine große Rolle. In diesem spannenden Justizthriller spielen die polizeilichen Ermittlungen und Suche nach dem Täter eine eher untergeordnete Rolle.
Fazit
Der Beginn des Buches ist spannend und durchaus vielversprechend, doch wer dadurch eine zu hohe Erwartungshaltung aufbaut, wird eher enttäuscht. Die Spannung steigt nicht an, sondern es wird in ruhigem Ton eine nachdenkliche Geschichte erzählt, die durchaus Zweifel am amerikanischen Rechtssystem nährt. Langeweile kommt dabei keineswegs auf, aber krachende Action fehlt eben bei Gerichtsromanen. Das offene Ende ist etwas zwiespältig. Vermutlich will die Autorin die Spannung im Hinblick auf einen Nachfolge-Titel schüren. Dieses Vorgehen ist legitim, und jeder Leser muss selbst beurteilen, wie er damit umgehen will. Mir wäre ein klares Finale lieber gewesen, aber dennoch ist Vaterunser ein lesens- oder hörenswerter Roman – gehört allerdings nicht in die obere Liga.