Süden und der Straßenbahntrinker von Friedrich Ani
Inhalt
Auf der Dienststelle der Kriminalpolizei München taucht ein merkwürdiger Mann auf, der eine noch merkwürdigere Geschichte zu erzählen hat. Er gibt den Beamten zu verstehen, dass er nun „wieder da“ sei, und sie deshalb die Suche nach ihm aufgeben könnten. Das einzige Problem dabei: Der Mann, der sich als Jeremias Holzapfel ausgibt, wurde nie als vermisst gemeldet. Doch Holzapfel gibt nicht so schnell auf, fortan begibt er sich täglich in die Dienststelle der Kripo, um sich zu erkundigen, was für Fortschritte denn in „seinem Fall“ zu vermelden seien.
Irgendwann sind die Diensthabenden Kommissare den lästigen Besucher jedoch leid und rufen Tabor Süden an, den etwas kauzigen Kommissar, der eigentlich Urlaub hat und Überstunden abbaut. Widerwillig verspricht Süden, sich um die Angelegenheit zu kümmern und nimmt sich der Geschichte von Jeremias Holzapfel an. Doch dieser Holzapfel ist nicht nur ein „komischer Vogel“, sondern er weiß offenbar selbst nicht so recht, was eigentlich „abgeht“ und seine Geschichte wirkt auf Tabor Süden von Tag zu Tag undurchsichtiger. Doch Süden hat bald Blut geleckt und kommt einer tragischen Geschichte auf die Spur, dessen Ursprünge und Wirrungen er ganz ohne „klassische Polizeimethoden“ zu Tage fördert.
Ein kleiner, feiner Roman, der zwar nicht recht in das gängige Krimimuster passt, aber trotzdem sicher auch Krimifreunden gefallen wird
Friedrich Ani hat sich mit verschiedenen tiefgründigen Kriminalromanen, Erzählungen und Lyrikbänden einen Namen gemacht, und für seinen ersten „richtigen Tabor Süden“-Krimi „Das Gelöbnis des gefallenen Engels“ wurde Ani 2002 bei der Vergabe des Deutschen Krimipreises mit dem 2. Preis ausgezeichnet. „Süden und der Straßenbahntrinker“ ist der zweite Krimi aus der inzwischen 11 Titel umfassenden Reihe um den leicht melancholischen, irgendwie typisch bayerischen und grundsympathischen Kommissar Tabor Süden, und auch diesem Kriminalroman merkt man an, dass Ani bereits als Polizeireporter und Drehbuchautor gearbeitet hat, denn auch wenn „Süden und der Straßenbahntrinker“ kein Krimi im eigentlichen Sinne ist, wird die tägliche Polizeiarbeit sehr authentisch geschildert und gerade die genaue Zeichnung der Charaktere mit all ihren Problemen ist das, was diesen Roman ausmacht.
Die Rahmenhandlung kommt dann mitunter durchaus etwas verworren daher, aber es ist ja durchaus auch einmal recht wohltuend und abwechslungsreich einen Krimi zu lesen, der ganz ohne Mord und Totschlag auskommt und dem Leser dabei gehörig viel interpretatorischen Spielraum lässt. Die Deutung der Geschichte um den verwirrten Jeremias Holzapfel bleibt dem Leser dann letzten Endes auch komplett selbst überlassen.
Fazit
„Süden und der Straßenbahntrinker“ wird wohl kaum in die Liste der „10 besten Romane“ des Jahrhunderts aufgenommen werden oder in die Geschichte der „gehobenen Weltliteratur“ eingehen, allerdings gehört der Roman zweifelsohne auch viel eher in die Rubrik „Kleine, feine Kurzromane“, die dem Leser keine gesteigerte Reflexionsleistung abverlangen, ihn dafür aber für einige wenige Stunden besser unterhalten als so mancher TV-Kriminalfilm. Ein Kleinod in der deutschen Krimilandschaft, welches man allen Liebhabern von kurzweiligen Kriminalromanen mit viel Lokalkolorit bedingungslos empfehlen kann.