Von der Lust, mit Büchern zu reisen, erzählt Horst Günther
In diesem Buch geht es um die Reise als Ganzes, um das Reisen. Es ist weniger ein Reiseführer, vielmehr ist es ein Reisebegleiter mit der Literatur.
Man liest Reisebücher zur Vorbereitung einer Reiseroute, zur Erinnerung nach einer Reise, um in der Phantasie zu reisen und seinen Gedanken freien Lauf zu lassen.
Magische Orte wie Fes, Meknes, Timbuktu, Karthago und das Katharinenkloster im Sinai lassen in der Phantasie Bilder von der Ferne, von Neuem und Exotischem entstehen. Dennoch fragt sich der Autor, woher das Gefühl von Heimat stammt, das ihn im Souk von Fes überkommt; sind es die frühen Legenden vom Orient wie Ali Baba und die vierzig Räuber oder Kalif Storch, die uns in den Märchenbüchern begegnen ?
„Was ist Zeit ?“ fragt der Autor. Am Beispiel von Karthago wird der Wandel der Zeit und die Vergänglichkeit der irdischen Reiche deutlich. Oft zerstört und wieder aufgebaut in verschiedenen Zeiten und Epochen bleibt die Erinnerung an die großen Reiche, der Phönizier, die Karthago gegründet haben, Rom, das es zerstörte, an die folgende römische Provinz, in der es wieder aufgebaut wurde, die Vandalen, die es wieder zerstörten, die Byzantiner, die es danach eroberten, die arabischen Reiter Mohammeds, die es endgültig untergehen ließen, die Osmanen und Franzosen fanden nur noch Ruinen.
Der Autor vergleicht die Art der Reisen. „Es geht um den Stil des Reisens, das langsame, mit allen Sinnen eine Landschaft erfassende Reisen.“ Nur wenn man langsam reist, sieht man etwas und nur, wenn man die Augen aufmacht, beobachtet man die Dinge in ihrem großen Zusammenhang. Eine Landschaft erfaßt man, wenn man sie spürt, riecht und langsam mit ihr vertraut wird, zu Fuß, mit dem Fahrrad, per Kamel oder Pferd. Forscher und Entdecker nahmen enorme Strapazen auf sich, um an ihr Ziel zu gelangen, eine Stadt wie Timbuktu zu erreichen. Mit einem Führer zu Fuß neben dem Kamel gehend, monatelang durch die endlose Weite der Wüste zu ziehen, nicht wissend, ob der nächste Brunnen noch Wasser führt.
Heute haben das bequeme Auto und das Flugzeug als Mittel zur Überwindung der Entfernungen die Wege schrumpfen lassen und die geführten Abenteuerreisen unterbrechen für zwei Wochen den tristen Alltag ohne mit dem Land wirklich vertraut zu werden.
Mit Gelassenheit lernt man auf Reisen andere Kulturen einfühlsamer kennen, wandert durch die Samaria-Schlucht auf Kreta, schlendert über Reisfelder auf Bali, durch abseits gelegene Gassen in Florenz, Rom und Venedig und wird per Zufall zu einem Familienfest eingeladen. Manchmal muss man verschlungene Pfade, wie durch Labyrinthe gehen, um zu sich selbst zu finden.
Fazit:
Der Autor verzichtet auf ein Inhaltsverzeichnis und unterteilt das Buch in (Lebens-) Abschnitte. Mit Hilfe der Literatur beschreibt er das Reisen in früheren Jahrhunderten, die Erfahrung der damaligen Reisenden, deren Anschauungen und Gefühle. Zitate von Ibn Battuta, Gustave Flaubert, Lady Mary Montagu, Fürst Pückler-Muskau und anderen finden Eingang. Die Berichte wollen das Reisen nicht ersetzen, vielmehr reist man mit offenerem Geist und wachem Auge, lässt die neue Umgebung auf sich wirken, nimmt Gerüche, Ansichten und Gefühle anderer Menschen auf und nimmt etwas für sein weiteres Leben mit nach Hause.
Zahlreiche Abbildungen von Gemälden, Lithographien, Photographien unterstreichen den Text. Ab dem 19. Jahrhundert reisten Maler, wie Eugène Delacroix, Paul Klee, August Macke, die mit ihren farbenfrohen Bildern die Welt und dieses Buch anschaulich machen.
Man sollte es öfter zur Hand nehmen und in ihm „stöbern“.
Ein gelungenes interessantes Buch, das zum Nachdenken anregt, vielleicht auch, um das eine oder andere Werk, aus dem zitiert wurde, selbst zu lesen z. B. Ibn Battuta, Reisen ans Ende der Welt oder Alexander von Humboldt, Ansichten der Natur.
Der Autor:
Horst Günther, geboren 1945, lehrt in Berlin als Privatdozent der Philosophie. Er forscht an der Maison des Sciences de l’Homme in Paris mit Schwerpunkt Geschichtsphilosophie, Ästhetik und politische Theorie. Er arbeitet als Autor, Herausgeber und Übersetzer in Berlin und Lyon. Er veröffentlichte „Das Bücherlesebuch“ (Wagenbach) und „Das Erdbeben von Lissabon“ (S. Fischer).
Der Verlag:
„Willkommen woanders“ begrüßt Corso, der neue Verlag aus Hamburg, den Leser. Reisen und Literatur verbindet Rainer Groothuis, der Verleger, mit Geschichten über Land und Leuten, Leben, Lust und Leidenschaft. Es entstehen schöne Bücher, die sich durch Qualität des Drucks und des Inhalts auszeichnen. Umfassend informiert die Internetseite corso-willkommen.de