Alphabet meines Lebens

Inhaltsverzeichnis
Musical

Back To The 80´s: Chess

Musik

Michael Kiwanuka – Small Changes

Musik

Heinz Rudolf Kunze – Lauschangriff

Juri Rytchëu: Alphabet meines Lebens
Das Alphabet, das der tschuktschische Autor hier aufblättert, richtet sich nach der russischen Schrift. Russisch war die erste Fremdsprache des am Polarkreis geborenen Autors, russische Kultur das erste Fremde, mit dem er fertig werden musste.

Geboren wurde Rytchëu, den russischen Vornamen erhielt er erst später, in einer traditionellen Fellhütte auf einer kiesübersäten Landzunge am Polarmeer. Er gehörte zum kleinen Volk der Tschuktschen, die nächsten Nachbarn waren Inuit, Eskimos, und über die Beringstraße zu den amerikanischen Eskimos bestand reger Kontakt. Russen hatten die Tschuktschen schon während der Zarenzeit kennen gelernt, die hatten unter anderem den Spiritus gebracht, sehr zur Begeisterung der trinkfreudigen Tundrabewohner. Zu Sowjetzeiten wird der Kontakt enger, die Kommunisten wollen den Fortschritt auch in diese entlegene Weltgegend bringen und junge begabte Tschuktschen erhalten Schul- und sogar Universitätsbildung.

Das alles beschreibt Rytchëu voller Humor, verschmitzt, mit viel Sinn für das Komische, wenn einander fremde Kulturen aufeinandertreffen. Welchen weiten und gefahrvollen Weg die zwei zukünftigen Studenten auf dem Weg nach Leningrad auf sich nehmen müssen, wie naiv und unschuldig sie invielem waren, das greift ans Herz – und dann muss man wieder laut lachen, wenn der Autor beschreibt, wie er und sein Freund fast ihr letztes Geld für eine unbekannte Frucht ausgeben. Im Schulbuch hatten sie es schon gesehen, Melone heißt das Ding und sieht appetitlich aus. Aber wie isst man das? Muss man es kochen? Dörren? Kleine Schnipsel der Schale schmecken gar nicht und die glänzenden schwarzen Kerne im aufdringlich roten Inneren verheißen nichts Gutes. Also werfen die beiden die Frucht letztendlich doch lieber weg, eher sie krank werden von so gefährlichem Essen. So viel zum Stichwort Melone.

Manche Stichworte beschreiben Dinge, mit denen Rytchëu aufgewachsen ist, mit den Errungenschaften der Polarvölker, dem kalten Winter zu trotzen, Fellkleidung und Fellhütten zu bauen, mit Hygiene, die man so oder so interpretieren kann, erzählen von Sitten und Glauben, den Tieren des Nordens und immer wieder vom Essen – wie schmackhaft ein Robbenauge ist und wie man es isst, das ist da schon etwas schwer auszuhalten für den westlichen Leser. Andere Stichworte widmen sich den fremden Dingen, die auf einmal in den Norden kamen, die russische Sprache, Schule, Stempel, Buch, Kino aber auch Unterhosen, Kolchos und Korruption. Hausmeister, Zeitung, Dampfbad – und natürlich Schriftsteller. Denn Schriftsteller ist Juri Rytchëu ja geworden, der einzige seines Volkes und seiner Sprache, auch wenn er später fast nur in Russisch schrieb, schreiben musste, denn die Tschuktschen sind ein kleines Volk und meist damit beschäftigt, der rauen Natur den Lebensunterhalt abzutrotzen.

Fazit
So persönlich, wie in diesem letzten Buch hat der 2008 verstorbene Autor sonst nicht geschrieben, vieles in diesem Buch hat den Charakter einer Bilanz. Es ist ein Rückblick auf ein sehr bewegtes Leben von einem Fellpolog im äußersten Winkel Asiens aus in die Welt der Moderne, eine Geschichte beschreibt ein Erlebnis in Vietnam. Die große Weltgeschichte, auch Rytchëu war als junger Mann begeistert von der Idee des Kommunismus, schrumpft hier wieder auf ein menschliches Maß. Das Alphabet meines Lebens ist ein Reiselexikon in handlichen Abschnitten, ein Lexikon der Reise eines außergewöhnlichen Lebens.

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