Ruhm von Daniel Kehlmann
Inhalt
Ein bekannter Schauspieler wird von einem auf den anderen Tag nicht mehr angerufen – er bekommt keine Angebote mehr, und immer mehr nagen Selbstzweifel an ihm. Er begreift nicht, was er falsch gemacht haben könnte, und muss erkennen, dass das Schicksal manchmal grotesk sein kann. Ein verwirrter und völlig orientierungsloser Angestellter eines Mobilfunkkonzerns wünscht sich nichts sehnlicher, als einmal als Figur in einem Roman vorzukommen – in der Zwischenzeit vertreibt er sich seine Zeit damit, andere User von dubiosen Internetforen wüst zu beschimpfen.
Ein Schriftsteller, der weltweit als Esoterik-Guru gefeiert wird, verzweifelt an sich selbst und steht kurz vor dem Suizid. Währenddessen begibt sich eine Schriftstellerin auf eine Reise nach Zentralasien und bleibt dort unfreiwillig „hängen“. Eine alte Dame hadert mit ihrem Schicksal und beklagt sich bei dem Schriftsteller, der sie erfunden hat, über ihren unwürdigen Tod. All diese Figuren treffen in „Ruhm“ mehr oder weniger direkt aufeinander. Daniel Kehlmann verbindet die Einzelschicksale seiner Protagonisten zu einem großen Ganzen, bei dem der Leser selbst erkennen muss, wie alle Schicksale unweigerlich miteinander verbunden sind – ohne dass die Charaktere in „Ruhm“ dies selbst bemerken.
Ein meisterhafter „literarischer Episodenfilm“
„Ruhm“ ist kein klassischer Roman, vielmehr knüpft das nunmehr zehnte Werk von Daniel Kehlmann, der unter anderem mit dem Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung und dem Literaturpreis der Tageszeitung „Die Welt“ ausgezeichnet wurde, an die Tradition von Episodenfilmen an. Kehlmann hält sich in „Ruhm“ nicht lange mit der Einführung der Figuren auf, sondern der Roman steigt direkt ins Geschehen ein. Nur langsam wird dem Leser klar, wie die Geschichten der einzelnen Figuren miteinander verbunden sind.
Kehlmann kokettiert dabei gekonnt mit dem Einfluss des Schicksals auf das Leben der Protagonisten – oft ist nur zwischen den Zeilen erkennbar, wie hilflos die einzelnen Charaktere dem über alles erhabenen Schicksal ausgeliefert sind, und wie sie häufig gar nicht bemerken, dass sie ihr Leben schon seit geraumer Zeit nicht mehr selbst in der Hand haben.
Der Schreibstil von Kehlmann bewegt sich dabei zwischen tiefer Melancholie und schwebender Leichtigkeit, wobei stets deutlich erkennbar ist, wie schnell sich die Situation ändern kann, und wie zerbrechlich die einzelnen Charaktere sind – der Roman zeigt auf beeindruckend präzise Weise, wie bedeutungslos der Einzelne ist und wie selbst bekannte und „gefeierte“ Persönlichkeiten binnen kürzester Zeit in Vergessenheit geraten können.
„Ruhm“ kann mit außergewöhnlichen Perspektivwechseln aufwarten, die sich auch im Wechsel der Erzählstile vollziehen. Während in der einen Geschichte ein auktorialer Erzähler noch über das Geschehen wacht und die Ereignisse sogar kommentiert, wird die nächste Geschichte aus der Sicht eines einzelnen Protagonisten erzählt, der der Situation völlig hilflos ausgeliefert ist. Kehlmanns ganzes Können zeigt sich dabei insbesondere in der Geschichte „Ein Beitrag zur Debatte“, in der ein völlig verwirrter, übergewichtiger und absolut unsympathisch wirkender Büroangestellte völlig zusammenhanglos seine Lebenswirklichkeit wiedergibt und kommentiert. Auf den ersten Blick erscheint dies skurril, doch schon bald wird dem Leser klar, wie sich gerade diese Geschichte auf den gesamten Verlauf des Romans auswirkt.
Fazit
Die „Süddeutsche Zeitung“ schreibt über den Autor von „Ruhm“: „Bei Daniel Kehlmann scheint sich der Genieverdacht zu erhärten“. Und mit „Ruhm“ tritt Kehlmann den Beweis für diese These an. Der Roman überzeugt durch eine präzise Schilderung der Ereignisse, einen absolut mitreißenden Erzählstil und einen Handlungsverlauf, der alles andere als alltäglich ist. Kurzum: „Ruhm“ ist ein weiteres exzellentes Werk von einem der wichtigsten deutschsprachigen Autoren der Nachkriegszeit.